wDer Pianist und Bandleader Ángel d’Agostino wird zwar meist erst nach solchen Berühmtheiten wie Troilo oder d’Arienzo genannt, aber ohne ihn ist das goldene Zeitalter des Tangos nicht vorstellbar. Er entstammte einer musikalischen Familie, begann mit sechs Jahren mit dem Klavierspiel, studierte später, brach das Studium aber frühzeitig zugunsten einer Musikerkarriere ab. Seit seinem Engagement bei Juan Maglio „Pacho“, einem populären Musiker der Guardia Vieja, hatte er sich ganz dem Tango zugewandt, ab 1934 mit einem eigenen Orchester. Am Bandoneon war damals neben anderen Aníbal Troilo (!), als Sänger trat Alberto Echagüe auf, der später zu d‘Arienzo wechselte. In diesem Jahr lernte er auch Angel Vargas kennen, der als Sänger perfekt in d‘Agostinos Konzept passte und zu Erfolg und Berühmtheit seines Orchesters sehr viel beitrug. Was aber ist dieses Konzept, das uns einen perfekt wirkenden Tango beschert hat? D‘Agostino selbst hat es rückschauend erklärt:
«Ich bin Milonguero… Ich war ein guter Tänzer… So habe ich meine Orchester mit zwei Konzeptionen geprägt, die ich nie aufgegeben habe: Respekt vor der melodischen Linie und rhythmische Betonung, um das Tanzen zu erleichtern. Wenn der Sänger einsetzte und die Musiker in den Hintergrung traten, war das Orchester so strukturiert, dass Musik und Gesang die Möglichkeit des Tanzens nicht unterbrachen. Dafür musste sich der Sänger als ein weiteres Instrument verhalten, zwar privilegiert, aber untrennbar vom Ganzen.» (zit. bei www.todotango.com, meine Übersetzung). Daraus ergab sich eine dezente, etwas subtil wirkende Musik, geprägt von der schlichten Eleganz von d‘Agostinos Klavierspiel und konzentriert auf die lyrische Stimme von Angel Vargas. Sie ist durchaus rhythmisch, aber ohne die Spannung, die wir bei d‘Arienzo oder Biagi finden (Michael Lavocah).
Von 1940 bis 1946 dauerte die Zusammenarbeit von d’Agostino und Vargas. Wir verdanken ihr über 90 Einspielungen von Tangos, Milongas und Valses, die Tangogeschichte bedeuten und nach denen auf der ganzen Welt mit Vergnügen getanzt wird. Diese Musik korrespondiert wunderbar damit, den Tango im Urquiza-Stil zu pflegen. Das Streben nach Schönheit, die aus der Verbindung von Können und Understatement erwächst, ist mit d‘Agostinos Musik besonders gut zu verwirklichen. Wie man das machen kann, zeigen Chiche und Ester in der unten angeführten Aufnahme aus dem Jahr 2010 mit dem Tango Tres Esquinas.
Auch nach der Trennung von Vargas und d‘Agostino hatte er weiter Erfolg, blieb bis weit in die fünfziger Jahre hinein aktiv und machte auch weiterhin Aufnahmen. Besonders interessant ist die 1955er Fassung des Tangos Cafe Domingues, eines Instrumentalstückes, das von einer glosa, also einem deklamierten Gedicht über der Musik, eingeleitet wird (hier vorgetragen von dem Dichter Julian Centeya). Glosas kam häufiger vor, finden sich jedoch kaum auf Schallplattenaufnahmen. Eine weitere glosa ist auf der 1944er Aufnahme von La Cumparsita mit dem Orchester von Alfredo de Angelis zu hören, mit einem perfekten Übergang zu den Bandoneons.
In den sechziger Jahren zog sich Angel d‘Agostino als Orchesterleiter zurück, blieb aber der Tangoszene in Buenos Aires treu. Sein Leben spannte sich über ein Jahrhundert, er starb am 16. Januar 1991. Seine Tangos sind unsterblich.
Wer mehr über das Leben von Angel d’Agostino erfahren will, sollte in seine lesenswerten autobiographischen Geständnisse schauen:
Das Dreamteam d’Agostini-Vargas kann man hier mit dem Tango Rondando Tu Esquina erleben:
Typische Tandas sind:
Vals:https://youtu.be/ng65dp3owzA
Tango:https://youtu.be/6kelhRVm_0Y
Milonga: https://youtu.be/PnvNbNPzKtc
Und hier ist die wunderbare Interpretation des Tangos Tres Esquinas von Chiche und Ester im Urquiza-Stil: